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Religion im Senegal

Abtei Keur Moussa:

Bei einem unserer ersten Besuche hatte die Bamtaare-Gruppe aus München das Benediktinerkloster Keur Moussa (zwischen Dakar und Thiès) besucht. Sein Ursprung geht auf die Einladung des ersten senegalesischen Präsidenten Leopold Senghor, selbst Katholik, zurück. Knapp 5 Prozent der senegalesischen Bevölkerung sind Christen, die weitaus größte Mehrheit Muslime. Religionsfreiheit ist in der senegalesischen Verfassung garantiert.

Christianisierung und Islamisierung im Senegal

Ursprünglich erklärt sich die Christianisierung Afrikas aus den christlichen Missionen (dazu kritisch der Roman „une vie d’un boy“ – das Leben eines Bediensteten – von Ferdinand Oyono, 1956) und die Islamisierung, darunter das Volk der Peulh, das vor allem durch den Widerstand islamischer Eliten gegen die Kolonisierung zu Lasten der ursprünglichen Religionen an Einfluss gewann. 

Politischer Einfluss der Religionsgemeinschaften

Wie zwei kürzlich erschienene Artikel in der Zeitschrift „Junges Afrika“ dokumentieren, ist der Einfluß des katholischen Klerus und vor allem einer islamischen Religionsgemeinschaft, der „Mouriden“ zum Verständnis der senegalesischen Politik und der Ereignisse, die faktisch zum Sturz der Machtelite des Präsidenten Mack Sall führte, mit entscheidend. Zumindest hatten beide Religionsgemeinschaften ihren Anteil am letzten Endes friedlichen Ausgang der „demokratischen Revolution“ von Ousmane Sonko, Bassirou Diomaye Faye und ihrer PASTEF (Partei der senegalesischen Afrikaner für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit).

Unter dem Titel „Im Senegal macht die katholische Kirche auch Politik – aber anders“ wird beschrieben, wie der Erzbischof von Dakar, Benjamin Ndiaye, archevêque de Dakar, sich am 3. Februar 2024 öffentlich über die Absicht des Präsidenten Macky Sall äußerte, die Wahlen – und damit implizit sein Mandat – zu verschieben. Der Geistliche mahnte an, die Verfassung zu respektieren. Die international vernetzte katholische Kirche und deren Medien (Frankreich, Vatikan) übernahmen diese Positionen und übten damit Druck für eine verfassungskonforme Lösung aus. Der Hintergrund waren einerseits die Aufstände nach der Kriminalisierung und Inhaftierung  Ousmane Sonko, den Opfern, dem Parteiverbot, der Pressezensur und schließlich den Massenverhaftungen.

Erzbischof von Dakar, Benjamin Ndiaye: 

Alphonse Seck, der die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Kirche leitet, erklärte dazu: « Der Erzbischof hatte zu bewerten, was auf dem Spiel stand. Wir waren am Rand einer Krise mit einer absolut aussergewöhnlichen Situation. Hatten andere (Religionsgemeinschaften) andere Strategien, wollte die katholische Kirche klar Portion beziehen, was sich als hilfreich erwies.“ Dadurch sei auf das Regime Druck ausgeübt worden, während die Verantwortlichen der religiösen muslimischen Bruderschaften, obwohl sehr stark in den politischen Verhältnisse des Senegal involviert, sich diskret verhielten.

Muslimische Bruderschaften

Die muslimische Bruderschaft der Mouriden hatte ihrerseits eine Schlüsselrolle im friedlichen und demokratischen Ergebnis nach den Konfrontationen und dem Versuch des Präsidenten, die Verfassung nach eigener Auffassung zu interpretieren. Während in allen größeren Städte 2022 und 2023 Demonstrationen statt fanden, blieb Touba, das Zentrum der Mouriden, ruhig. Tatsächlich hatte der Expräsident Macky Sall sich um ein möglichst konfliktfreies Verhältnis bemüht, die Mouriden-Hochburg mit einer Autobahn und städtischer Infrastruktur beglückt, um die Massenstaus bei der Pilgerfahrt zu reduzieren.

Hauptmoschee in Touba:

Dagegen entsandte der Khalif der Mouriden, Serigne Mountakha Bassirou Mbacké, am 12. März fünf Emissaire nach Dakar zu einer Unterredung mit Ousmane Sonko und der Unterstützungs-Bewegung M2D. Direkt nach der Unterredung nahm die Opposition den Aufruf zu einer Massendemonstration am folgenden Tag zurück. Schockiert über die Ausschreitungen und Opfer der vorangegangenen Erhebungen erklärte ein Verantwortlicher der Opposition, man habe der Mediation eine Chance geben wollen. Ndeye Fatou Blondin Diop: „…es war uns wichtig, vor allem den Kampf um die öffentliche Meinung zu gewinnen.“ 

Aus dem Umfeld von Ousmane Sonko stammt die Einschätzung, wonach man im Senegal nur mobilisieren könne, wenn es der Khalif erlaubt. Woraus übrigens folgt, dass „der Khalif“ zurückliegende Aufrufe zumindest kommentarlos zur Kenntnis genommen hat. Die Rolle der Moslem-Bruderschaften wurde durch eine Intervention des „Cudis“ (gemeinsamer Rahmen des islam im Senegal) am 7. März in einem Gespräch mit Macky Sall unterstrichen.

Das moralische und international Gewicht der katholischen Kirche im Senegal und die wichtige Rolle der islamischen Bruderschaften haben also beigetragen, dass infolge der Schwächen des Regimes Macky Sall, der Aufstände der Jugend und der Popularität der führenden Persönlichkeit in der Opposition bei über 60% Wahlbeteiligung sich die Senegalesen für einen demokratischen Übergang der Präsidentschaft zu Bassirou Diomaye Faye und seinem Premierminister Ousmane Sonko entschieden haben.

Mit 54% gewählt: Bassirou Diomaye Faye

 

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