Installation des neuen Hochbehälters auf dem Turm

Installation 2. Solarpumpe im März 2019

Reisebericht 

von Fritz Schmalzbauer 

Wasser ist Leben. 

Das bewegendste Ereignis: Nach viel Aufwand und Arbeit sprudelt Wasser aus der Tiefe des Brunnens. Die Pumpe saugt ihre Energie aus den Solarzellen, die blauen Platten aus der Sonne. So 2015 (Film „Radi aus dem Senegal“) und an jenem 25. März 2019 im Dorf SINTHIOU MBAL im Norden der Republik Senegal.

Ein Versprechen wird eingelöst: Seit 2015 brauchen die Frauen, die den großen Gemüsegartens neben der Grundschule bewirtschaften, nicht mehr mühselig von Hand das Wasser aus der Brunnentiefe ziehen. Aber das Geld reicht nicht für den zweiten Garten. Wir beschließen gemeinsam mit den Frauen des Dorfes, bei positiver Erfahrung mit der ersten Anlage eine zweite Solaranlage zu errichten, sobald die Mittel reichen.

2018 ist es soweit. Die Spendenmittel würden reichen. Jetzt geht es an die Umsetzung. Eigentlich leichter, weil die Erfahrungen aus 2015 hilfreich sind. Gegen Jahresende 2018 sind zwei Frauen aus Bayern ins Dorf aufgebrochen. Ihr Bericht bestärkt in dem Emtschluss, eine zweite Solaranlage anzugehen.

Das wichtigste ist unser „Netzwerk“: Vor Ort der Frauenverein, die Ernährungsberaterin Ndaye Fatou Sidy, der Schmid/Schlosser Djibril, sein Namensvetter mit einem Installateurgeschäft in Ouroussogui (20 km schlechte, jetzt in Erneuerung begriffener Straße), der Vereinsvorsitzende Demba Ba mit Telefonkontakten in der Volkssprache Pulaar zum Dorf, Thierno Gueye, Berater und Chauffeur, mehrsprachig neben Französisch Pulaar und Wolof (Volkssprachen), die Equipe der Firma SEV um Kretschmann in Dakar/Yoff, der neugewählte Schatzmeister unseres Vereins Wolfgang Schulz sowie die stellvertretende Vorsitzende Heidi Schlammerl in München, das Familiennetzwerk von Thierno Gueye mit kostengünstigen Übernachtungen, Khalifa, der in Thiès, dem Ausgangspunkt, die Versorgung organisiert…

20. März 2019: Kostengünstiger Flug von Madrid nach Lissabon und von dort zum neuen Flughafen in der Nähe von Thiès, weitab vom bisherigen Trubel in Dakar. Erste Zweifel in Madrid beim Einstieg ins Flugzeug der TAP: Braucht der nicht ein Visum? Ich versichere, dass Deutsche kein Visum für die Republik Senegal brauchen, man telefoniert und entschuldigt sich dann. Der Airbus überfliegt scheinbar schnurgerade Spanien, Extramadura und Portugal auf Lissabon zu. Es wird dunkel und ein terrestisches Bilderbuch, immer mehr beleuchtet tut sich da unten auf. Am Horizont, kitschiger gehts nicht mehr, der Vollmond über dem Fluss Tejo und seiner Vasco-da-Gama Brücke. Ich filme einen Teil des Landeanflugs(facebook frederic schmalzbauer). Einmal konnten wir den Weiterflug nach Dakar nicht erreichen, wurden nach Lissabon gefahren, Hotel, Stadtbesichtigung, Transfert… diesesmal bleibt reichlich Zeit zum Umstieg in den größeren Flieger nach Dakar. Punkt 1h 30 Lokalzeit landet die Maschine äußerst sanft auf dem neuen Flughafen nördlich von Dakar. Ich zeige meinen Ersatzpass vor. Wo ich wohnen werde? Ich sage in Sinthiou Mbal. Kennt er nicht. Ah so, in der Region Matam. Willkommen. In zehn Minuten bin ich draussen und suche vergeblich nach Thierno. Der irrt irgendwo in der Gegend rum, schließlich ist die Flughafenanfahrt neu. Nach einer Stunde – mir fehlt die Telefonnummer – setze ich einen Text in Facebook ab. Thierno liest ihn nicht, dafür anscheinend der halbe Senegal. 10 Minuten später klopft mir Khalifa auf die Schulter. Es ist gegen 3 Uhr Lokalzeit, wir fahren nach Thiès, ehemaliger Eisenbahnknotenpunkt, zu Khalifas „Mickyland“ (er ist dort Geschäftsführer) zum Essen. Die Welt ist wieder in Ordnung.

21. März 2019: Kaum eingeschlafen, weckt der Muezzin zum Frühgebet. Für mich zu früh. Die nächsten Tage wird die Reise geplant, werden (in „Mickyland“) e-mails gecheckt und geschrieben, WhatsApp telefoniert (hier gibt es Wlan) und gut gegessen. „Jassa“ in allen Formen, eine Reisgrundlage mit Hühner- oder Rindfleisch und Gemüse – in das kleine rote Gewürz beißt man nur einmal. Es gibt ein Problem mit der gewohnten Route entlang dem Senegal-Fluss (Saint Louis – Richard Toll – Guédé Village. Hinter Guédé Village wird die Straße über 150 km zu einer einzigen Baustelle. Das Auto hält das nicht durch.

24. März 2019: Wir entschließen uns für die kürzere, wenn auch langweiligere Strecke über das muslimische Zentrum Touba, Lingère, Rainerou schlechten Angedenkens, hier hatten wir vor 3 Jahren die Ölwanne des VW durchstoßen, (Reparatur die ganze Nacht durch.) Was für ein Wunder: Aus der Piste (6 Jahre zurück) wurde eine hervorragend geteerte Straße, kaum Verkehr, höchstens ein paar Ziegen, Kühe oder Kamele in Sicht. Der Zielort Ouroussogui scheint uns, verglichen mit früheren Reisen, in nicht einmal 7 Stunden entgegen zu fliegen.

In Ouroussogui erwartete und Mme Ndye Fatou Sidy, die Ernährungsberaterin. Sie müsse ins Dorf telefonieren, um unsere Ankunft zu melden. Ich ahne schon eine Empfangszeremonie. Wir holpern Sinthiou Mbal entgegen. Tatsächlich steht das halbe Dorf auf der Straße. Händeschüttel, Grußformel, Danke, Djaram… Aus den Kindern sind junge Damen und Männern geworden, eine neue Generation bestaunt uns. Wie heißt Du gleich wieder? Djari, klar und Deine Schwester… Dann wird es richtig ernst. Die Frauen beginnen zu tanzen (Facebook bamtaare-senegal2010) und zu trommeln. So wird natürlich nichts aus der geplanten Besprechung. Es sei aber alles geklärt „inch Allah“, in Gottes Namen, eine auf bayrisch geläufige Formel. Nicht gerade eine klare Ansage. Wir stapfen in der Dämmerung doch noch zu den Gärten. Einige Frauen und Kinder sind beim Gießen. Unvermeidlich der starke, gezuckerte Tee, den wir als Gastgeschenk mitgebracht haben. Für mich mit wenig Zucker. Schmeckt katastrophal, also zurück zum Zucker. Danach ist an Schlaf – wenigstens vorerst – nicht zu denken.

Die erste Nacht auf dem Dach unter freiem Sternenhimmel. Warum hier der große Wagen einen Kopfstand macht … aber wird sind ja in Richtung „Morgenland“ unterwegs.

25. März 2019: In der Früh, kaum hat der Hahn gekräht und der Muezzin zum Gebet gerufen, wird es kalt. Ein Grund, unter die Decke zu kriechen. Bemerkenswert: Zum Frühstück das selbstgebackene Brot im Dorf, kein Vergleich mit dem windigen Weißbrot aus Thiès. Dann wird es ernst: Die Equipe aus Technikern ist eingetroffen. Kurze Aufregung: Niemand hat den Brunnenboden gesäubert, obwohl seit 2 Monaten besprochen. Dort unten liegen Plastikbehälter, die sich vom Strick gelöst haben. Offenbar hat niemand Lust auf ein Bad in 16 Metern Tiefe. Aber der Pumpe könnte es schaden. Palaver. Dann kommen Stricke ins Spiel, nach meinen alpinen Erfahrungen wird jemand nicht ganz sachgemäß angeseilt und verschwindet im Loch. Nach und nach kommen Sachen zutage. Besonders aufregend der Aufstieg. Alle jungen Männer scheinen jetzt an den Stricken zu ziehen. Dann taucht er auf, der Mann aus der Tiefe und kippt über den Brunnenrad auf gesicherten Boden. Es hat geklappt. Inch Allah.

Jeder ist jetzt beschäftigt. Der eine Djibril hilft beim Hochhieven des Fasses (Wasserreservoir), der andere gräbt mit seinen Helfern eine Leitung zu den Brunnen. Die Techniker von SEV (LORENTZ-Pumpen) bringen die Solarplatten an. Stromverbindungen werden hergestellt. Wir jagen die Kinder – alles Buben – immer wieder vom Platz. Besonders der „Eiffelturm“ hat es ihnen als Spielgerät angetan. Alles wie schon gehabt, damals, 2015. Nur bin ich „cooler“. Ausserdem scheint praktisch nichts zu fehlen. Die Vorbereitung hat geklappt. Zum Arbeiten ist es kühler als beim ersten Mal, rund 30 Grad. Damals waren es 50 und ausserdem noch Ramadan. Wie in der Schöpfungs- oder Erdgeschichte entwickelt sich aus Chaos überschaubare Ordnung.

14 Uhr: Sonnen- und Menschenenergie haben es zuwege gebracht: Aus der Leitung fließt Wasser. Die Pumpe „arbeitet“. Die Technker und wir essen unter einem schattenspendenden Baum, dann brechen sie rasch auf. Der Grund: Einer wird am nächsten Tag in Dakar (10 Autostunden) heiraten. Herzlichen Glückwunsch. Doch, seine Braut sei sehr hübsch und gescheit, sie habe Abitur. Das mache das Zusammenleben nicht immer leichter, vermutet er. Aber er ist verliebt und sie auch.

Abends: Gemütliche Schlussbesprechung in engerem Kreis. Wie schön, fast ohne Mücken.

26. März: Am frühen Morgen will ich die Anlage anschauen und mithelfen, einen Zaun darum zu befestigen. Die Frauen legen zwischenzeitlich neu Beete an und gießen. Der Weg ztum Wasser ist jetzt kurz und das mühselige Hochziehen entfält. Eine Frau zeigt mir die Schwielen an ihren Händen und lächelt. Djaram – Danke. Da macht es Spass, selbst Hand anzulegen und Kinder mit Wasser zu bespritzten. Bald wird der Garten um vieles schöner blühen und danach zur Ernährung einen wichtigen Beitrag leisten.

Wir – Thierno und ich – bleiben noch einige Tage im Dorf, essen aus den Geminschaftsschüsseln, wenn auch mit Löffeln, helfen in den Gärten, sprechen mit de Leuten.

Was ist am Samstag plötzlich los? Ein Herr und eine Dame tauchen mit etwas ledierten Flipchartpaier rücken an, es bilden sich eine Jugend- und eine Frauengruppe. Ein paar Jungen zeigen mir ihre Unterlagen. Für die Teilnahme an der Schulung bekommen sie 15,24 € von „USAIDE“, der staatlichen US-amerikanischen Entwicklungshilfe. Sie sollen ihre Anwesenheit, ihre Telefonnummer und e-mail eintragen. „Machen wir aber nicht…“ Der von USAIDE gesponserte Ausbilder ist der Arzt aus dem nahen Nabadji Civol, die Ausbilderin seine Hebamme. Die Frauen winken mich in ihren Kreis, was der Hebamme offensichtlich nicht gefällt. Sie schreibt gerade alle Punkte auf, die auf ein schlechtes Verhalten der Männer hinweisen. Nur – hier kann sogut wie niemand lesen und schreiben, die Grundschule liegt schon Jahre zurück und Französisch wird überhaupt nicht praktiziert. So bleibt der Satz „Die Frau ist nicht die sexuelle Sklavin ihres Mannes“ irgendwie in der Luft hängen. Doch, sagt Djenaba, sie habe das schon kapiert. Aber was soll man machen. Da hat USAIDE wenig anzubieten, wie mir eine weitere Frau erklärt. Sie lacht und sagt „Der kommt sowieso nur einmal im Jahr“ und kümmert sich um nichts, zum Beispiel wenn man krank ist. Auch das steht auf dem Flipchart. Darum haben die Frauen in Sinthiou Mbal übrigens eine Selbsthilfe-Kasse und freuen sich, wenn sie durch die Gartenprodukte die Familie besser ernähren und ein paar zusätzliche Gartenprodukte verkaufen können. Ein neuer Marktplatz sei schon im Bau. Schade, denke ich, wieder so ein Betontempel, dabei ist der ausladende Baum, unter dem bis jetzt angeboten und gehandelt wird, einladend, schattig, schön… Die Jungen dürfen übrigens für 15 €, 17 Dollar, 10000 FCFA über die Definition von Gewalt nachdenken. „Wenn einer oder eine Gruppe einem anderen etwas antut…“ Mir fällt die Mauer von Trump oder Waffenlieferung in Kriegsgebiete ein, der Junge sagt das öffentlich.

Langsam kehren bei den Rundgängen durchs Dorf wieder die Erinnerungen an die ersten Jahre ein. Stimmt, stacheliger Zaun aus Ästen steht für wenig Hilfe von Emigranten, eine hohe Mauer für üppigen Zuschuss aus der Ferne. Mauerwerk steht für Reichtum, traditioneller Lehmbau für Armut. Wo nachts kein Feuer brennt, so hat mir Aliou Ba, der Präsident der USE erklärt, gibt es auch kaum was zu essen. Kinder der Bessergestellten schickt man in die Schule (es gibt Schulpflicht), ärmere Hirtenfamilien lassen die Kinder zu Hause oder schicken sie in den Koran-Unterricht. Sie haben nicht das wenige Geld für korrekte Kleidung/Schuhe und Schulmaterial oder sind einfach zu weit draussen in der Savanne. Auch kulturelle Vorbehalte spielen eine Rolle.

Was ist mit der Mittelschule los? fragt mich ein Herr. Stimmt, das hatten wir schon vor langem besprochen. Nur kommt bis jetzt keine Eigeninitiative aus dem Dorf. Wo sie ist? greift er nach. Ich schaue nach oben und meine, sie falle nicht vom Himmel. Er scheint meinen Einwand zu akzeptieren. Ein paar Jungen sehen das etwas weniger kompliziert: „Was sollen wir machen?“ Ich meine, man müsse die Eltern der Wohlhabenden anstoßen, damit eine Initiative aus dem Dorf kommt. Einer hat wohl im Fernsehen die französischen Gelbswesten gesehen. So müsse es doch auch gehen. „Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es“ verdrehe ich Erich Kästner auf Französisch. Falsch gedacht. „Wir tun ja was, wir spielen Fußball. Dann kannst Du uns einen Ball schenken…“

Nächtelang diskutiere ich mit Thierno über die Gefahr der Radikalisierung. So habe in dem nahen Mali trotz Militäreinsatzes ein jüngerer Hassprediger aus dem gleichen Volk (Peulh) ungestört Leute um sich gesammelt und radikalisiert. „Im Senegal geht das nicht. Hier ist man friedlich und die Dorfgemeinschaft würde jeden ausstoßen, der Hass predigt oder Waffen trägt…“ Zwei Tage später wird 80 km weiter ein Dorf von Bewaffneten überfallen und ausgeraubt, der Händler fast zu Tode geprügelt. Die Täter konnten spurlos verschwinden, die Presse vermutet einen Zusammenhang mit der terroristischen Szene. Thierno „Das sind Verbrecher, die kommen nicht von hier, sondern nützen die nahe Grenze nach Mali. Wird aber scharf bewacht. Das ist eine Ausnahme… Ich denke mir Inch Allah, in Gottes Ohr.

Beim Rundgang fällt der prachtvolle Umbau der beiden Moscheen auf. Ich frage jemand nach der Geldquelle. „Aus Saudi-Arabien“. Thierno vermutet, ein Auswanderer sei in Saudi-Arabien und habe dort für den Bau der Moscheen geworben.

Die wichtigste Erneuerung sind ausgedehnte Reisfelder am Ufer des Senegal-Armes. Dort teilen sich 7 Dörfer die großen Parzellen, sähen an und stecken dann die Pflanzen. Bei der Ernte seien alle beteiligt, die möchten, nicht nur die Familien, denen im Losverfahren ein Feld zugesprochen wurde. Tatsächlich kommen jetzt jeden Morgen aus Siri Woro (östlich) jede Menge Pferdegespanne voller Feldarbeiter/innen durchs Dorf. Auch aus Sinthiou Mbal beteiligt man sich an der Regierungsinitiative. Präsident Macky Sall aus dem Volk der Peulh wurde nicht zufällig im ersten Wahlgang wieder gewählt. Auf Nachfrage verichert man mir aber, die Garteninitiativen seien deshalb nicht weniger wichtig. Man könne anpflanzen, was jede Familie braucht: Kohl, Salate, Gewürze, Auberginen, Zwiebel… Mme Ndye Fatou Sidy stimmt dem zu. Reis sei zwar wichtig, aber die Vielfalt käme aus den Gärten.

Ende März 2019: Wir müssen zurück. Doch ohne große Dorfversammlung geht das nicht. Man spricht „Bamtaare“ den Dank aus, würdigt Mme Ndye Fatou Sidy, die wöchentlich das Dorf berät, gibt mir das Wort. Man übersetzt mich auf Pulaar, aber die Leute scheinen auch so zu verstehen. Noch einmal hakt jemand wegen der Notwendigkeit einer Mittelschule nach. Ich erkläre unseren Standpunkt. Vorerst fördern wir die Grundschule, gibt es dagegen eine Initiative aus dem Dorf, könne man neu nachdenken. „Übrigens, nächstes Jahr feiern wir das 10 jährige Bestehen“. Bamtaare – Solidarität und Djaram, danke für die Zusammenarbeit.

Nachtrag: Die neue Solaranlage, betreut von Djibril, liefert Energie und Wasser

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