Reisebericht Bamtaare - Thies

Eine Reise zu den Gemüsegärten von SINTHIOU MBAL im April 2022

Reisebericht

von Fritz Schmalzbauer 

Nach vier Jahren zurück ins Dorf SINTHIOU MBAL. Ein Reisebericht zu unserem Solidaritätsprojekt im nördlichen Senegal. Ein Jahrzehnt erfolgreiches Gartenprojekt mit den Frauen des Dorfes. Gesündere Ernährung durch Gemüseanbau. Spenden, die Sinn machen und sich rechnen.

Nach Thiès

Vom neuen Flughafen ins nahe Thiès. Ehemaliger Eisenbahn-Knotenpunkt und ein Schauplatz des Romans von Ousmane Sembene, Schriftsteller und Filmschaffender, Die Holzstöckchen Gottes(DDR, 70ziger Jahre) über den großen Streik von 1948 gegen die Ungleichbehandlung der französischen Kolonialmacht von weissenund schwarzenLokomotivführern und Arbeitern. Ach ja, die Stadt Thiès hat eine bekannte Teppichmanufaktur, die wir vor Jahren – eine kleine Reisegruppe um den Verein – Bamtaare-Senegal2010.e.V. Müchnen, besucht hatten. (Unseren Solidaritätsverein gibt es seit 2010).

Reisebericht Bamtaare - Thies
Reisebericht - Frau am Bahnhof von Thiès

Der kurzeWeg ins Partnerdorf SINTHIOU MBAL

Von Thiès gibt es zwei Wege zu unseremDorf SINTHIOU MBAL mit seinen Gemüsegärten, den von uns finanzierten Solarpumpen und dem dörflichen Frauenverein, der sich darum kümmert. Was vor 8 Jahren noch eine abenteuerliche Piste durch die Savanne war, ist jetzt eine gut geteerte schnelle Straße, wäre da nicht das Nadelöhr des Wallfahrtsortes Touba, eine Art kleines Mekka und natürlich Esel, Kühe und Ziegen, die sich auf der Straße wohl fühlen. Aber immerhin: Statt den ursprünglichen 12 Stunden (je nach Anzahl der Reifenpannen)  über Saint Louis und Richard Toll entlang dem Senegal-Fluss sind es jetzt höchsten sieben Stunden Autofahrt. Am anderen Ende ist die Stadt Ouroussogui (für Münchner als Aussprachehilfe Uru sogi).

Ouroussogui oder sogi Wourossogui, beides geht.

Einigen wir uns auf Uro oder Wuro. Es ist ein Straßendorf vor und hinter zwei sich kreuzenden Straßen (Dakar – Matam und Saint Louis – Bakel, weiter zur Grenze mit Mali) voler Geschäftigkeit. In Uro gibts alles, ausser Bier, das bekommt man nur am katholischen Bischofs-Sitz in Matam, der Regions-Hauptstadt am Senegal-Fluss, Grenze zu Mauretanien.

In Uro wohnt Mme Ndaye Fatou Sidy, Ernährungsberaterin und örtliche Vertrauensperson unseres Vereins im Dorf SINTHIOU MBAL, 15 Kilometer und 200 Schlaglöcher entfernt. Frau Ndaye Fatou Sidy (Fatou) kauft in Uro alles Wichtige für den Unterhalt der Gemüsegärten. Und sie führt unsere örtliche Vereinskasse, sammelt Belege und wird von mir belästigt, um die Quittungen zu prüfen, zusammen zu rechnen und nach München zum Kassier Wolfgang Schulz mit zu nehmen. Fast vier Jahre, davon fast drei Corona-Jahre, konnte das nicht mehr persönlich geschehen. Kurzum: Alles stimmt.

Mme Ndeye Fatou Sidy
Mme Ndeye Fatou Sidy, "Bamtaaremen"

Im Dorf SINTHIOU MBAL

Von uns Deutschenhat fast vier Jahre niemand das Dorf besucht, Und tatsächlich, es steht noch da, wo ich es in Erinnerung hatte. Da, wo man unsere erste Gruppe unter Führung von Demba Ba, dem Vereinsvorstand von Bastaare-Senegal2010 – bamtaare.de – nach München emigrierten Dorfvorsteher mit einer weißblauen Rautenfahne begrüßte. Heute gibt es keine Begrüßungszerimonie, ich war ja auch nicht richtig angekündigt. Später wird es mir Mamadou Sene, betagter Jugendleiter des Dorfes und leidenschaftlicher Unterstützer des Gartenprojektes, etwas vorwurfsvoll darauf hinweisen, dass ich nicht angekündigt war. Natürlich begleitet mich Fatou. Die meisten Leute, die ganz jungen abgesehen, begrüßen mich freundlich mit meinem damals verliehenen Namen Mamadou Ba.  In der Konzessionvon Demba Ba, dem Familiensitz, freuen sich alle Frauen und Mädchen. Besonders eine fällt mir ins Auge, ein Déjà-vu. Richtig, Hapsatu, vor 8 Jahren habe ich dich auf den Schultern durch die Savanne getragen, du hattest nämlich kein gutes Schuhwerk. Und jetzt bist du 16, schaust aus wie Deine ältere Schwester Ami und möchtest Anwältin werden. Super. Auch einige Jungen sind da, die ich kenne. Dann kommen die Frauen des Vorstandes des Gartenvereins und Djibril, der sich um die Bewässerungstechnik kümmert. Ach so, Diyenaba ist in den Gemeinderat der Großgemeinde Nabadji Civiol gewählt worden. Herzlichen Glückwunsch. Im gemeinsamen Haus mit Huray, Vorsitzende des Gartenvereins, werde ich zum Übernachten eingeladen. Ganz wie früher.

Reisebericht Bamtaare - Huray-Djenaba
Präsidentin des Gartenvereins und Gemeinderätin Dyenaba

Erste Sitzung mit dem Gartenverein von SINTHIOU MBAL

Die Gemüsegärten schauen wir uns morgen an. Mit Hilfe von Fatou und einem Mann, den ich noch nicht kannte, kommt ein Dialog aus Pulaar, der Volkssprache der Peulh, auf Französisch übersetzt, zustande. Abgesehen von den üblichen Höflichkeiten kommen gleich die Probleme auf den symbolischen Tisch – wir sitzen ja auf dem Steinboden. Eigentlich geht alles ganz gut, die Pumpen funktionieren, man freut sich über das Gemüse, von vielen Frauen dort angebaut und geerntet (vom Salat über Kohl, Bohnen, Gewürze…) und auch darüber, gelegentlich auf dem Markt einen kleinen Überschuss verkaufen zu können. Eine Frau unterstreicht noch einmal, wie arbeitserleichternd die Solarpumpen sind und eine andere Wortmeldung bedankt sich bei Fatou und uns, weil der Speisezettel umfangreicher und gesünder geworden sei. Es gebe aber Probleme, weil die Hirten (Kühe, Ziegen) das Wasser der gemeinsamen Anlage erst einmal für sich beanspruchen. Daher der Wunsch, innerhalb des Gartens eine eigene Bohrung (rund 14 Meter tief) zu machen und von den Ansprüchen der Hirten unabhängig zu sein. Die Gebetsstunde wendet die Sitzung und ich fahre mit Fatou nach Uro zurück, um an der Buchhaltung weiter zu arbeiten.

Reisebericht Bamtaare - Sitzung Gartenverein
Reisebericht Bamtaare - Sitzung Gartenverein

Gartenbesichtigung in SINTHIOU MBA

Um es vorweg zu sagen: Ich sehe viele, gut gewachsene Gemüse-Gewächse. Vielen Frauen, die ich an diesem und den folgenden Morgenstunden antreffe, ist die Freude ins Gesicht geschrieben, uns wieder zu treffen und stolz auf die Gartenprodukte hinweisen zu können. (Es sind zwei Gärten, ein Fußballfeld großer und ein etwas kleinerer Garten, jeder mit einer Solaranlage und Pumpen des deutschen Fabrikanten LORENTZ ausgerüstet.) Es bestätigt sich, was uns Fatou monatlich berichtet und dann auf unserer Homepage, bamtaare.de, auf Facebook und Instagram gepostet wird. Weniger erfreulich ist der Zustand des Zauns um die Solaranlagen. Die Umzäunung scheint vor allem am großen Garten absichtlich nieder getreten zu sein. Djibril und Fatou bestätigen es. Man habe den Zaun mehrfach immer wieder neu aufgerichtet und immer wieder sei er beschädigt worden. Von wem? Ja, von den Hirten, die sich der Wasserhähne bemächtigen, damit ihre Becken zu Lasten der Frauen gefüllt und die Herden getränkt werden. Jetzt verstehe ich auch den Hilferuf der Frauen. Im übrigen wurden zwei Solarplatten mit Steinwürfen oder anderweitig beschädigt. Später erklärt uns ein Techniker, die Platten würden trotzdem Strom liefern.

Reisebericht Bamtaare - Solaranlage mit beschaedigtem Zaun
Solaranlage mit beschädigtem Zaun

Gemüsegärten von SINTHIOU MBA

Eines Morgens sehe ich im Garten, wie sich eine Ziege über ein Gartenbeet hermacht. Einige junge Frauen und Mädchen stört das offenbar nicht. Es ist ja nicht ihr Beet. Ich bitte sie, mir zu helfen, damit die Ziege verschwindet. Sie meckert sich nach draussen, die Hirten kümmert das nicht. Selbst eine Kuh arbeitet sich jetzt an die Anlage heran. Ich komme mit einem Hirten in ein Gespräch, das fast eskaliert wäre. Er faucht mich auf Pulaar an, obwohl er Französisch kann, bis ihn dann eine Frau zur Rede stellt und fragt, ob er nicht weiß, mit wem er es da zu tun hat und er möge sich um seine Kühe kümmern. Dann sagt sie in gutem Französisch – ich kenne sie seit vielen Jahren, sie ist die Vereinskassiererin einer kleinen Solidaritätskasse – es müsse einfach eine Lösung gesucht und gefunden werden. Ein Zaun reiche nicht, man brauche eine Mauer und eine verschließbare Türe. Djibril, der sich um die Pumpen kümmert und mich vorgewarnt hatte, gibt ihr recht. Wir beschließen auf einer erneuten Sitzung, dem Münchner Verein Bamtaare-Senegal2010 e.V. einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Einen Kostenvoranschlag mit 1200€ teile ich  in zwei Summen. Erst sollte am ersten Garten nachgewiesen werden, dass es funktioniert.

Fatou: Wenigstens kommen vom Schulhof keine Ziegen mehr in den Garten, die Mauer und den Zaun hatte man vor gut einem Jahr repariert.

Reisebericht-Bamtaare - Maedchen im Garten
Mädchen im Garten

Mit wundem Hintern zwischen den Reisfeldern von SINTHIOU MBAL

Eigentlich hätte ich es wissen können. Unsereiner braucht eben ein Kissen auf den holprigen Wegen in der Savanne, wenn man auf einem Pferdekarren sitzt und Mamadou Diallo das Pferd in seinem normalen Arbeitstempo traben lässt. Erst in Thiès komme ich Wochen später an Salbe, Verband und Desinfektionsmittel. Aber der Ausflug war lohnend. Mir wird das Ausmaß der Reisfelder und die Kanalisation deutlich, die auf Regierungsbeschluss durch den Präsident der Republik Senegal, Macky Sall, in der flussnahen Savanne angelegt wurden. Mit unserem Gartenprojekt hat es nur insofern etwas zu tun, als die Arbeit der Frauen im Reisanbau und bei der Reisernte eine zusätzliche Belastung bedeutet. Wenigstens tut ein Bad im Senegal-Arm gut, wo Mamadou auch sein Pferd wäscht. Mir wird berichtet, dass den beteiligten Familien des Dorfes je eineinhalb Hektar zur Verfügung stehen, für den sie eine Art Pacht entrichten, das Saatgut selber kaufen, ansetzen und einpflanzen und den Reisertrag schließlich verkaufen müssen. Dabei bleibt, meint ein Beteiligter, eigentlich zu wenig übrig. Noch was fällt mir am Rückweg, die Hände schützend am Hosenboden, auf: Es gäbe einen ganz natürlichen“ Wall vor der Umzäunung. In der Savanne holen sich Hirten trockene, stachelige Zweige und bauen daraus einen Zaun. Da kommen weder Mensch noch Tier so einfach durch. Warum nicht auch entlang unseres Zauns Richtung Herden (Ziegen, Kühe)?

Reisebericht Bamtaare - Reisanbau
Reisanbau

Rückweg über eine Insel: GEDE VILLAGE

Ein Dorf zum Verlieben. Am bewaldeten Ufer eines Senegal-Armes gelegen, uralte Bäume, um die herum die Gehöfte gebaut wurden, die älteste bekannte Moschee, ein Versammlungsplatz im Schatten eines Baobab (siehe Zeichnungen von Saint-Exupery in der kleine Prinz) vier landwirtschaftliche Kooperativen und das seit Jahrzehnten, eine Familie Gueye, die uns immer herzlich empfängt (unser Chauffeur und Übersetzer Thierno Gueye kommt von dort) und – bis jetzt – die Überfahrt mit einer Pirogge (Kanu) oder einer Fähre. Kurz: Guede Village. Da lässt man sich schon gerne zu einem Zwischenstopp einladen und bekochen. Zur Erinnerung: In der Nähe liegt der Bezirksort PODOR mit einem schönen Hotel im Kolonialstil. Am westlichen Ufer des Flusses Senegal liegt Mauretanien.

(Bild 9: Historische Moschee von Gede Village)

Die Mauer“ zwischen Afrika und Europa.

Füuns“ ein Leichtes, füärmere Afrikaner ein Unternehmen in Lebensgefahr: Der Weg nach Europa zwischen Marokko und Spanien/Portugal

Reisebericht Bamtaare - Historische Moschee Guede Village
Historische Moschee Guede Village

Die Mauer“ zwischen Afrika und Europa.

Füuns“ ein Leichtes, füärmere Afrikaner ein Unternehmen in Lebensgefahr: Der Weg nach Europa zwischen Marokko und Spanien/Portugal

Reisebericht - Meerenge von Gibraltar
Meerenge von Gibraltar

Das Resümee aus SINTHIOU MBAL

Gut, dass wir uns vor zwölf (2010) Jahren engagiert haben. Den Leuten, vor allem den Ärmeren, steht seither eine zusätzliche Nahrungsquelle zur Verfügung. Toll, dass eine der Frauen jetzt in den Gemeinderat gewählt wurde. Noch besser: Nach vielen Anläufen hat die Gemeinde vor, neben der Grundschule eine Mittelschule (Collège) zu fördern. Am besten: Die Kasse, also die von uns gesammelten Spenden, stimmt und wurde zweckgerichtet eingesetzt. Dank Mme Ndaye Fatou Sidy aus Uro. Und es gibt gute Gründe, wieder vorbei zu schauen.

Comments are closed.