Ein Bericht über ein gutes Monat Projekt-Reise in den Senegal und ins Dorf Sinthiou Mbal im Februar/März 2023. Eindrücke, Wege, Umwege, Begegnungen. Der Reise erster Teil.
Unglaublich: Der Umstieg in Lissabon hat trotz 2 Stunden Verspätung geklappt. « Dakar, Dakar… ». Ich laufe durch die Verbindungshallen, der Zwischen Check-In geht im Vorbeihecheln und eine Airbus-Türe steht offen: « Nach Dakar » versichere ich mich bei den fünf Crew-Mitgliedern. « No no, Paris, Berlin, Londres… » war nur ein Scherz zum Einstieg. Vier Stunden Flug, eine Stunde Zeitverschiebung und Dakar ist als Lichtermeer in Sicht. Überflug und Landung auf dem neuen Flughafen.
Ich will nach Thiès. Jede Menge legale und illegale Taxi-Angebote. Der da so tut, als sei er voll legal, möchte weder mein kleines Gepäck tragen noch am Weg zum Auto allzu nahe sein, illegal also. Wir haben 12 Euro vereinbart. Kaum ist die Türe zu, soll der Preis um 30 Prozent steigen. Ich erkläre, er möge mir mein Gepäck geben, ich steige wieder aus. « Das ist der Nachttarif (20 Euro », aber für Dich 12 Euro, wenn Du die Autobahngebühr (3.50 Euro) übernimmst. Der vermeintliche Fahrer steigt aus und macht seinem jüngeren « Cousin » Platz. Der besteht nur in Bruchstücken Französisch, aber ich möchte ja, dass er fährt. Er sucht die Kommunikation mit mir, dem « Toubab », dem Weissen. Und siehe, ein schönes Gespräch kommt zustande: Familie in « Dakar » (Keur Massar) usw. Den bewaldeten Hügel hinauf und wir sind in Thiès. Einige Missverständnisse, dann winkt Khalifa (einige aus ehemaligen Reisegruppen kennen den immer vornehm traditionell gekleideten Senegalesen) winkt mit der Taschenlampe.
Nach ein paar Tagen in Thiès (ehemaliger kolonialer Eisenbahnknoten und staatliche Teppichmanufaktur) erkläre ich Khalifa – er bereitet gerade ein Super-Konzert mit Sidy Dioup vor – in den Fouta (nördlicher Senegal) reisen zu wollen. Ich stehe an einem etwas einsamen Kreisverkehr ausserhalb der Stadt, um eine Mitfahrt im Auto zu bekommen. Ein junger Soldat – Sonko – will in die gleiche Stadt (Ourossogui), er in die Kaserne, ich zu unserer Projektberaterin Fatou. Der « illegale » Autobesitzer gibt Songs den besten Platz vorne: Ein Uniformierter hält die üblichen kostenpflichtigen Polizeikontrollen ab.
Es ist früher Nachmittag (6 Stunden Fahrt). Fatou, die Beraterin wohnt nur einige Schritte von der Kaserne entfernt.
Begrüßung und Überraschung: Das vorzügliche Essen gilt nicht nur mir, sondern Monsieur Sy, dem Mittelschul-Direktor aus Sinthiou Mogo (wir kennen und vom Schulfest im vergangenen Juli) und Moussa, dem jungen Mathe-Lehrer, mit dem ich ständig in Kontakt bin. Alles freundliche Berater. Ich zeige ihnen die Bücher, die ich für die Grundschule mitgeschleppt habe. Besondern ein kunstvoll illustriertes Buch über das ehemalige Königreich im Waalo (aktuelle Regionen Saint Louis und Matam zwischen dem Fluss Senegal/Mauretanien und einem großen See im Westen) interessiert die Lehrer:
Ich fahre, begleitet von den Lehrern, in Richtung Partnerdorf Sinthiou Mbal. Aber Moussa will, dass ich in Sinthiou Mogo mit den « Professoren » der Mittelschule auf der Dachterrasse speise und bei ihm schlafe. Nur: Die Professoren/innen reden nur Pulaar unter sich, Frédéric (ich) soll es gefälligst lernen, sie mussten ja auch Französisch studieren. Die Köchin: die Spanisch-Lehrerin, der ich vor 6 Monaten den » kleinen Prinz » auf Spanisch geschenkt hatte. Für die Mittelschule hatte ich damals etwa 20 Schulbücher mitgeschleppt (Kinder aus unserem Partnerdorf sind dort in der Schule). Bericht: bamtaare.de
Am nächsten Vormittag gehts 15 Minuten ins Partnerdorf.
Herzlicher Empfang, Dorfrundgang, die Gärten super, die Pumpen funktionieren. Ich schlafe auf der Dachterrasse, direkt unter dem Orion. Gespräch mit den Grundschullehrern (Bibliothek, Schulgarten). Jubel der Frauen auf dem kleinen Markt unter dem großen Baum. Man singt … wir sind herzlich willkommen. Kinder « schenk uns einen Fußball ». Es hat sich rumgesprochen: Ich habe im vergangenen Herbst dem Torwart der Dorfmannschaft Fussballschuhe bezahlt. Teeshirts: Bayern München, natürlich nicht original, aber viele haben es an. Oder das Trikot der Senegalesen. Klar: Mbappe, Mané usw. Übrigens findet das Match Paris / Bayern im Fernsehen statt. Ich beruhige die Gemüter: Die Senegalesen gewinnen in jedem Fall, entweder als PSG oder Bayern/München. « Wir » haben gewonnen. Ich freue mich mit einer Münchnerin über WhatsApp.
Der Torwart von SINTHIOU MBAL
Mit einer der Frauen des Hauses fahre ich zum großen Markt nach Nabadji Civol. Wir warten auf einen Kleinbus. Ich schlage vor, statt dessen den Pferdetransport vor der Moschee zu nutzen: Billiger und lustiger. Dijenaba ist einverstanden. Jede Menge Frauen warten vor der Moschee. Dann kommen die Karren. Die Fahrer: 12 bis 14 jährige. Eng gedrängt und ganz schön schnell geht es zum Markt. Ich fahre weiter nach Ndouloumadji. Dort ist eine Schülerin des Partnerdorfes im Gymnasium. Offizieller Anlass: Schulfeste zum Weltfrauentage, dem 8. März. Ich muss übernachten, das gehört sich so. Tage später hat unser Freund der ersten Stunde, der Chauffeur, Berater und Übersetzer Thierno Gueye, ein freies Wochenende in Saint Louis. Eingezwängt in einen Peugeot (7 Plätze) überlebe ich nicht nur den Transport sondern komme sogar wieder zum Lesen: Frantz Fanon über « Schwarze Haut und weisse Maske ». Kurz vor Rosso (dort geht es nach Mauretanien) hält und – wie üblich – ein Polizist auf. Sein Chef macht sich nicht einmal die Mühe, die Lizenz des Fahrers zu kontrollieren. Ihm wird durchs Fenster ein Geldschein (1.20 Euro) in die offene Hand gedrückt. Er hat nicht umsonst einen Bauch – der Polizeichef.
Saint Louis: Die Stadt im Mündungsgebiet des Senegal.
Drei Tage Beratung mit unserem « Chauffeur » Thierno. Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen. Es ist, als wäre es gestern gewesen. Ich atme die Stadt ein, fotografiere, drehe einen kleinen Film über die Fahrt in/über der Brücke. Nachts begegnet uns ein eleganter Fünfziger: Grauer Maßanzug, gelbe Krawatee, gelbe Socken, schwarze Schuhe, eleganter Hut. Klar, wir sin in der senegalesischen Jazz-Metropole. Maimouna kocht für uns. Ich mache einen Tomatensalat. Freundlich, aber bestimmt verwandelt Maimuna meine Kreation in eine senegalesische Variante. Maimouna macht für Thierno die Wäsche, verkauft Kosmetik mit einem Bauchladen. Jede/r muss über die Runden kommen. Am Ufer des Flusses rede ich mit Orhan Akman, den erfolgreichen Verdi-Sekretär, den der Vorstand im fernen Berlin loshaben will: Fristlose Kündigungen, Abmahnungen, Versetzungen. So machen es die übelsten Kapitalisten und « meine » Gewerkschaft. Dienstag: Zurück nach Thiès. Khalifa, der Onkel von Moussa (Mathelehrer in Sinthiou Mogo) und Cousin von Thierno ist im Endspurt für das Superkonzert mit Sidy auf der « Promenade Thissoise », ehemaliger « Place de France ».
15.3.2022